Liturgie – oft als starr empfunden
Wenn ich mich als Liturgie-Fachfrau vorstelle, habe ich oft den Eindruck, dass mein Gegenüber davon ausgeht, ich hätte Freude am Formalen, Starren. Das Gegenteil ist der Fall!
Viele Katholiken verstehen unter „Liturgie“ vor allem Rubriken und festgelegte Abläufe. Oftmals sind Gottesdienste auch entsprechend gestaltet: strikten Vorgaben folgend oder so normiert, dass sie an jedem Ort auf exakt die gleiche Weise gefeiert werden können, ohne dass die aktuelle Situation oder die konkret versammelte Gemeinde einen Einfluss auf die Feier hätten.
Ein formales Verständnis zeigt sich auch darin, was als gültiger Gottesdienst gilt: ein richtiges Absolvieren der Vorgaben des liturgischen Buches – unabhängig von der Anschlussfähigkeit an die konkrete Gemeinde. Und ein Sakrament, das „korrekt“ gespendet wird, ist gültig, unabhängig davon, ob die Bedeutung des Sakraments in der Atmosphäre der Feier erfahrbar wird.
Ein solch formales Liturgieverständnis zeigt sich schließlich auch darin, dass Menschen mit der Leitung von Gottesdiensten betraut werden, die aufgrund von Alter, von Sprachbarrieren oder von fehlender Vertrautheit mit den Mitfeiernden, ihrer Kultur und dem, was sie bewegt, nur sehr begrenzt in der Lage sind, den Gottesdienst den Menschen gemäß zu gestalten.
Viele Menschen erwarten mehr
Vielen Menschen ist das zu wenig. Sie können Gottesdiensten, die sich vor allem durch formale Korrektheit auszeichnen, nichts mehr abgewinnen. Sie sehnen sich nach Gottesdiensten, in denen sie „vorkommen“ und die sie nähren. Von den Gottesdiensten, die ihnen vor Ort geboten werden, haben sich viele abgewendet. Sie erleben darin keinen Mehrwert für ihr Leben.
Es gibt sie aber, Gottesdienste, die auch diejenigen Menschen ansprechen, denen die Richtigkeit des Rituals nicht genügt. Dies können auch Gottesdienste in klassischen Formen sein, die ganz lebendig sind und die die konkret versammelten Menschen betreffen und berühren.
Ein Weg zu mehr Lebendigkeit
Wie kommen wir dahin, Gottesdienste in klassischen Formen lebendig zu gestalten und dabei gleichzeitig das vorgegebene Ritual zu respektieren und wertzuschätzen?
Es hängt davon ab, wie wir die Vorgaben betrachten: Das, was im liturgischen Buch steht, nicht als „die Liturgie“ zu verstehen, sondern als ein Gerüst, mit dem die lebendige Feier gestaltet wird. Das Buch ist das Skelett, dem Fleisch, Blut und Leben hinzugefügt werden.
Es kommt darauf an, wie ich das Ritual gestalte und für welche Auswahlmöglichkeiten ich mich entscheide. Ebenso wichtig ist die Haltung, mit der ich als Gottesdienstleiterin den Mitfeiernden begegne und mit der ich sie anschaue. Entscheidend ist auch, dass ich mich beim Vorbeten tatsächlich innerlich Gott zuwende und die Gemeinde mitnehme ins Gebet. Schließlich spielt es eine Rolle, dass die Lebenssituation der Mitfeiernden in Worten und Zeichenhandlungen anklingt. – All dies macht die Feier lebendig.
Wie schon gesagt, für mich ist Liturgie etwas ganz Lebendiges, und ich habe viele Möglichkeiten, sie entsprechend zu gestalten. Mehr dazu in den folgenden Beiträgen.
Dieser Beitrag erschien in ähnlicher Form im Anzeiger für die Seelsorge, Heft 1/2025, S.40.